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Nach langen Verhandlungen: Kein bundesweites Semesterticket – Rahmenbedingungen nicht tragbar

Der VS-Rat der Hochschule der Medien hat am 05.02.2025 beschlossen, das bundesweite Semesterticket im Vollsolidarmodell nicht einzuführen. Trotz der ursprünglichen Zustimmung zur Einführung im März 2024 zeigte sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen, dass eine Umsetzung unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich ist. Die Entscheidung basiert auf zwei zentralen Faktoren: erhebliche organisatorische Herausforderungen und wirtschaftliche Aspekte, die das Modell für viele Studierende unattraktiv machen.

In diesem Beitrag erläutern wir die Hintergründe der Entscheidung, die maßgeblichen Argumente sowie unsere Position zur Mobilität von Studierenden. Wir fordern eine nachhaltige Lösung auf Landes- oder Bundesebene, die nicht die Verantwortung für ein solches Ticket ausschließlich den Studierendenschaften überträgt.

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Hintergrund

Ende 2023 erhielten die Verfassten Studierendenschaften in Baden-Württemberg ein Angebot des Landes zur Einführung eines bundesweiten Semestertickets. Dieses Modell basiert auf dem Deutschlandticket und sieht vor, dass Studierende 60 % des regulären Ticketpreises zahlen. Ein zentraler Unterschied zum bestehenden Jugendticket BW besteht darin, dass das neue Semesterticket keine Altersbegrenzung hat und somit allen Studierenden unabhängig vom Alter zur Verfügung stehen würde.

Allerdings sollte das Ticket ausschließlich im Vollsolidarmodell angeboten werden. Das bedeutet, dass alle Studierenden einer Hochschule den Ticketpreis verpflichtend entrichten müssten – unabhängig davon, ob sie das Ticket nutzen möchten oder nicht. Eine individuelle Wahlmöglichkeit oder Befreiung war nicht vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund lag es in der Verantwortung der Verfassten Studierendenschaften, über eine Annahme oder Ablehnung dieses Modells zu entscheiden.

Die ursprüngliche Entscheidung des VS-Rats

Nach einer intensiven Diskussionsphase entschied der VS-Rat am 25. März 2024, das bundesweite Semesterticket im Vollsolidarmodell einzuführen. Ziel war es, allen Studierenden eine vergünstigte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu ermöglichen, insbesondere für diejenigen über 26 Jahre, die bisher keine Alternative zum regulären Deutschlandticket hatten. Jüngere Studierende hätten im Vergleich zum Jugendticket BW von einem leicht reduzierten Preis profitieren können.

Detaillierte Informationen zu den Hintergründen und der Entscheidungsfindung findet ihr in unserem ausführlichen Beitrag hier, den wir nach der Entscheidung veröffentlicht hatten.

Die Einführung des Tickets war jedoch an Vertragsverhandlungen mit der SSB gebunden. Im Falle einer erfolgreichen Einigung wäre das Ticket voraussichtlich ab dem Sommersemester 2025 für alle Studierenden verpflichtend eingeführt worden. Der Vorstand der VS hat sich daher, mit Unterstützung des Vernetzungsteams, seit einem Jahr in Verhandlungsgesprächen mit der SSB, der Hochschule der Medien und dem Studierendenwerk engagiert, um die Einführung des Tickets entsprechend dem Beschluss des VS-Rates voranzutreiben.

Neubewertung der Situation

Im Laufe der weiteren Verhandlungen wurde deutlich, dass die Umsetzung des Semestertickets unter den gegebenen Bedingungen nicht realisierbar ist. Daher beschloss der VS-Rat in der 113. Sitzung am 03.02.2025 in einem neuen Beschluss, die Einführung des Tickets nicht weiterzuverfolgen und die entsprechenden Bemühungen einzustellen. Diese Entscheidung basierte auf zwei zentralen Erkenntnissen:

1. Organisatorische Herausforderungen

Die Vertragsbedingungen sahen vor, dass die gesamte Verwaltung des Semestertickets in der Verantwortung der VS liegen sollte. Dazu hätten unter anderem die Pflege und Verwaltung der Studierendendaten, die Bearbeitung von Rückerstattungsanträgen sowie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs gehört. Dieser erhebliche verwaltungstechnische Aufwand wäre für die VS unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht tragbar gewesen.

Die VS arbeitet hauptsächlich auf Grundlage ehrenamtlichen Engagements von Vollzeitstudierenden, deren Verfügbarkeit naturgemäß schwankt. Ein langfristiges Projekt wie das Semesterticket hätte jedoch eine kontinuierliche und zuverlässige Betreuung erfordert – eine Herausforderung, die mit der bestehenden Struktur nicht bewältigt werden kann.

Auch Gespräche mit dem Studierendenwerk ergaben, dass aufgrund der bereits hohen administrativen Belastung dort keine zusätzliche Unterstützung möglich ist. Zudem gab es keine Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit anderen umliegenden Verfassten Studierendenschaften, da die VS der HdM die einzige Studierendenschaft einer öffentlichen Hochschulinstitution in Baden-Württemberg war, die sich für die Einführung des Tickets ausgesprochen hatte.

Die Einführung des Semestertickets wäre somit mit einer Verwaltungsbelastung verbunden, die weder durch unsere eigenen Strukturen noch durch externe Unterstützung tragbar ist.

2. Wirtschaftlichkeit

Neben den organisatorischen Hürden spielte auch die gestiegene Preisstruktur eine Rolle in der Neubewertung des Tickets. Zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung im März 2024 lag der Preis bei 176,40 Euro pro Semester. Durch die Anpassung des Deutschlandtickets im Januar 2024 erhöhte sich dieser Betrag jedoch auf 208 Euro. Auch wenn die gestiegenen Kosten nicht der ausschlaggebende Faktor für die Entscheidung gegen das Ticket waren, trugen sie zur Gesamtabwägung bei.

Fazit und Ausblick

Als VS stehen wir hinter der Idee einer flächendeckenden, bezahlbaren und altersunabhängigen Mobilitätslösung für Studierende. Wir halten es für problematisch, dass Studierende über 27 Jahren bislang keine vergünstigte Alternative zum regulären Deutschlandticket haben, obwohl finanzielle Herausforderungen in dieser Gruppe genauso relevant sind.

Gleichzeitig sind wir der Auffassung, dass die Verantwortung für die Einführung und Verwaltung eines bundesweiten Semestertickets nicht bei den Studierendenschaften liegen kann. Die Entscheidung, diese Aufgabe an uns zu übertragen, ohne entsprechende strukturelle oder administrative Unterstützung bereitzustellen, halten wir für nicht tragbar. Die Organisation und Abwicklung eines solchen Tickets erfordert Verwaltungsstrukturen, die über die Kapazitäten ehrenamtlicher studentischer Gremien hinausgehen.

Wir verurteilen es, dass die Studierendenschaften in Baden-Württemberg in diese Verantwortung gedrängt wurden, anstatt dass eine zentrale und tragfähige Lösung auf Landes- oder Bundesebene geschaffen wird. Ein solches Ticket kann nur dann nachhaltig und sinnvoll funktionieren, wenn die Zuständigkeit dort liegt, wo sie hingehört: bei den entsprechenden Verkehrsverbünden und politischen Entscheidungsträgern – nicht bei den Studierenden selbst.

Trotz dieser Entscheidung setzen wir uns weiterhin für eine gerechte und nachhaltige Mobilitätslösung für alle Studierenden ein. Wir fordern das Land dazu auf, eine zukunftsfähige Lösung zu entwickeln, die nicht auf den Schultern der Studierenden lastet, sondern sie tatsächlich entlastet.

Ein großes Dankeschön

Wir möchten uns bei allen bedanken, die sich in den vergangenen Monaten an den Diskussionen, Umfragen und Veranstaltungen beteiligt haben. Euer Feedback und eure Anregungen waren essenziell, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen.

Zudem danken wir der Hochschulverwaltung, die uns in den Verhandlungen unterstützt hat. Wir haben die investierte Zeit und die Zusammenarbeit sehr geschätzt.

Für weitere Informationen zu den Hintergründen und Details der Entscheidung laden wir euch ein, die ausführliche Dokumentation auf unserer Webseite einzusehen. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Mobilität für alle Studierenden nachhaltig und gerecht zu gestalten.

Hier geht es zu weiteren Informationen

  1. https://unsplash.com/photos/a-train-on-a-train-track-next-to-a-train-station-jIqivemHqdI ↩︎